Irgendwann schreibe ich ein Buch…
Ich weiß nicht wie oft ich diesen Gedanken in den letzten Jahren hatte und ihn immer wieder verworfen habe, weil mich etwas aus meinen Gedanken gerissen hat. Ein Buch wird es nun erst einmal nicht, ich habe mich entschieden, diesen Blog zu starten – meine Erlebnisse und Erfahrungen zu teilen in der Hoffnung, Menschen zu erreichen, Herzen anzusprechen, kleine Dinge zu verändern, Einfluss auf einen Blickwinkel zu nehmen und damit vielleicht doch Großes zu bewirken. Denn sind es nicht immer die vielen kleinen Dinge, die zu etwas Großartigem führen?
Es liegt an diesem Erleben am Ostermontag, das mich nun wirklich endlich damit beginnen lässt.
Wir gehen anlässlich des Osterfestes in einem hübschen kleinen Hotel frühstücken. Wir „zuviert.de“, das sind mein Mann Lars, meine große Tochter Mieke, meine kleine Tochter Rieka und ich. Zu erwähnen ist, dass Rieka mit einem zusätzlichen Chromosom 21 geboren wurde – sie hat das Down-Syndrom.
Wir marschieren gut gelaunt an unseren Tisch, sortieren uns und Mieke und Lars machen sich auf den Weg zum Buffet. Ich halte Rieka bei Laune, die aktuell lieber genießt, dass sie laufen kann als sich mit diesem leidigen Thema „Essen“ zu beschäftigen…
Plötzlich höre ich vom Nebentisch leises Gemurmel und dann sehr laut, „ich weiß, was das ist, die hat Trisomie… Solche falten auch meine Kartons in der Werkstatt… oh, die sind so putzig und manche können sogar Etiketten kleben. Wenn ich komme, freuen sie sich alle – ich bringe ja auch immer Gummibärchen mit“…..
Ich bin eigentlich nicht auf den Mund gefallen, aber gerade doch fassungslos – etwas in mir schreit förmlich, „hallo, ich kann euch hören und ihr redet gerade über meine kleine Tochter in einer unglaublichen Lautstärke – was ist denn das bitte für ein Benehmen“…. Aber tatsächlich bleibe ich stumm, widme mich meiner Familie und ärgere mich trotzdem.
Ich ärgere mich über die Respektlosigkeit, Menschen mit Down-Syndrom sind nicht „putzig“….. und sie können nicht „sogar Etiketten kleben“.
Sie sind Menschen mit einem veränderten Chromosomensatz und jeder ist verschieden. Wie übrigens jeder Mensch mit einem „normalen“ Chromosomensatz auch.
Und am Montag hat es mich dann mit Wucht getroffen, warum immer diese Klischees, warum traut meiner kleinen Tochter niemand etwas zu, warum wird bei ihr immer „duziduzi“ gemacht. Bei meiner großen Tochter scheint aber allen alles selbstverständlich?
Warum ist jemand überrascht, dass ein Mensch mit Trisomie 21 sich nach mehreren Jahren an ihn erinnert, wenn er sich doch auch an ihn erinnert? Warum glauben so viele, sie könnten jetzt schon sagen, was Rieka alles mal nicht können wird?
Ich habe schnell gelernt wie die Welt von Menschen mit Besonderheiten betrachtet wird – defizitorientiert – was für ein Wort, aber es trifft absolut zu. Alle machen sich ständig Gedanken darum was anders oder besonders ist, was nicht möglich sein wird.
Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag im Fernsehen gesehen in dem Familien begleitet wurden, deren Kinder als extreme Frühchen auf die Welt gekommen sind und heute mit körperlichen und geistigen Einschränkungen leben. Eine Mutter eines kleinen Mädchens, das aktuell nicht richtig sprechen kann, eine Entwicklungsverzögerung und motorische Probleme hat, wurde gefragt wo sie ihre Tochter in 15 Jahren sieht und sie sagte sinngemäß. Sie hat ihr Abitur gemacht und studiert vermutlich… Dann lächelte und stockte sie und sagte, vielleicht auch nicht, aber sie wäre der Meinung, keiner könne bei irgendeinem Kind vorhersehen wie es sich wirklich entwickelt, was es schaffen kann und will – sie würde ihrer Tochter alles zutrauen und jeden Weg für sie für möglich halten und das Leben wird ihnen zeigen wie es tatsächlich sein wird.
Ich finde diese Haltung großartig und diese Sicht auf jedes Kind, jeden Menschen. Es geht nicht darum, Kinder unter Druck zu setzen, zu hohe Erwartungen zu haben oder sich nicht eingestehen zu wollen, dass das eigene Kind etwas möglicherweise nicht kann. Es geht darum jedem Menschen alle Wege offen zu halten, zu unterstützen, zu fördern und auch mal zu fordern, unvoreingenommen zu sein und einfach den Weg des Kindes mitzugehen ohne zu glauben, man würde das Ziel schon von vornherein kennen.
Was also möchte ich mit meinen Beiträgen erreichen? Ich möchte zum Nachdenken anregen – manchmal sind es die kleinen Denkanstöße, die Großes in einem bewegen können. Ich möchte informieren und Erlebnisse teilen, einen Einblick in unsere Welt geben, die manchmal vielleicht ein klitzekleines bisschen anders ist, aber gar nicht so viel. Ich möchte Berührungsängste nehmen, denn ich weiß sehr genau wie sich diese anfühlen und wie einfach sie sich abbauen lassen, wenn man genau hinguckt.
Also, los geht’s…….
Ein Gedanke zu „Irgendwann schreibe ich ein Buch…“
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